Neue Vielfalt

Der Leerstand in der Bremer Innenstadt ist nicht zu übersehen und nach Ladenschluss ist kaum noch etwas los. Wie lässt sich das ändern? Braucht es mehr Wohnungen, Kultur, Gastronomie und Wissenschaft statt Einzelhandel?   

Was heißt „neue Vielfalt“?

Städte spiegeln immer gesellschaftliche Trends. So wie sich die Wertvorstellungen und Lebensstile der Menschen ändern, ändern sich auch die Städte. Gerade in den Innenstädten führt die veränderte Nachfrage zu veränderten Angeboten.  

Bremens Innenstadt ist heute ein reiner Einkaufs- und Bürostandort. Wurde früher in der Innenstadt gewohnt, gearbeitet, gehandelt und sich vergnügt, ist jetzt fast nur noch Shopping und Büroarbeit möglich. Viele Jahre hat diese Geschäftsmodell der Immobilienwirtschaft gut funktioniert. Aber diese Zeiten sind vorbei und kommen nicht wieder. 

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Vielleicht war die monofunktionale Innenstadt als großes Einkaufszentrum eine historische Ausnahme und jetzt kommen wieder Wohnungen und andere Nutzungen zurück und ganz neue Nutzungen hinzu. Eine neue Vielfalt und mehr Leben für die Innenstädte. 

Nutzungsmischung

Die Bremer Innenstadt der Zukunft muss stärker nutzungsgemischt sein. Als nutzungsgemischt werden meist Quartiere bezeichnet, in denen auf engem Raum verschiedene Nutzungen nebeneinander existieren. Bei einer vertikalen Mischnutzung“ – also innerhalb eines Gebäudes – befinden sich beispielsweise Läden im Erdgeschoss und Wohnungen und oder Büros in den Obergeschossen. 

Thekenbereich des (Con)temporary Crafts Studio
Die Mischung macht´s: Das (Con)temporary Crafts Studio ist Werkstatt und gläserne Manufaktur in einem, es bietet Flächen für den Verkauf von Designobjekten, für Ausstellungen und Konzerte und ist ein kleines Café.

© Projektbüro Innenstadt Bremen / Christian Burmester

Durch das Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sind Bremen gut 4,4 Mio Euro Bundesmittel bewilligt worden. Inklusive einer Kofinanzierung durch die Stadt stehen bis 2026 knapp 6,0 Millionen Euro zur Verfügung, um innovative Bausteine für eine neue Nutzungsmischung in der Innenstadt zu planen und modellhaft umzusetzen. 

Publikum sitzt vor einer Bühne beim „binnenstadt Dialog“
Alle Maßnahmen, die Bremen im Rahmen des Bundesprogramms ZIZ umsetzt, zielen auf die neue Nutzungsmischung ab. Der „binnenstadt Dialog“ informiert dabei über aktuelle Entwicklungen und fördert die Vernetzung.

© Projektbüro Innenstadt Bremen / Christian Burmester

Chancen für die Immobilienwirtschaft

Für diese neue Vielfalt in der Innenstadt können vorhandene Gebäude umgenutzt werden. Hierin liegen große Chancen für die Eigentümer:innen der Immobilien. Natürlich eignet sich nicht jedes Gebäude für jede Nutzung, aber gerade ältere Bürohäuser lassen sich beispielsweise oft zu Wohnhäusern umbauen.  

Das Projektbüro Innenstadt Bremen unterstützt die Wirtschaftsförderung beim Dialog mit der Immobilienwirtschaft. Dabei geht es um Möglichkeiten für eine Umnutzung unterschiedlicher Gebäudetypen von relativ kleinen Büro- und Geschäftshäusern, über Parkhäuser bis hin zu großen Kaufhäusern.     

Blick von der Langenstraße auf das neue Essighaus als Teil des Balgequartiers, Visualisierung von 2022
Das Balgequartier ist ein positives Beispiel für eine private Investition, die sich nahtlos in Stadtbild einfügt und für neue Orte zum Flanieren sorgt. Hier eine Visualisierung für das Neue Essighaus in der Langenstraße.

© Joh. Jacobs & Co.-Gruppe

2026 soll das Parkhaus Mitte abgerissen werden, um Platz zu machen für ein durchlässiges und gemischtes neues Quartier, das auch Wohnungen enthält. Das Quartier soll zeigen, wie sich die Innenstadt in Zukunft auch vertikal entwickeln kann – also mit vielfältigen Nutzungen übereinander statt wie bisher fast nur horizontal im Erdgeschoss.  

Eine Umnutzung von Kaufhäusern ist wegen der Größe und der oft komplexen Besitzverhältnisse herausfordernd, aber es gibt in anderen Städten gute Beispiele für multifunktionale Nutzungen mit einem intelligenten Mix aus kleinteiligem Einzelhandel, Gastronomie, Kultur, Bildungseinrichtungen, Räumen für Kreative und Wohnungen 

Blick auf das Parkhaus Mitte

© Projektbüro Innenstadt Bremen / Christian Burmester

„Core“ in Oldenburg

In Oldenburg kauften lokale Geschäftsleute 2021 ein ehemaliges Hertie-Kaufhaus von einem internationalen Finanzinvestor und bauten es zu einer mischgenutzten Immobilie um. Nun gibt es dort eine Markthalle und Eventfläche im Erdgeschoss. Die Stockwerke darüber teilen sich ein Co-Working-Space, ein Hotel, ein Fitnesscenter und ein Fachhändler. Der englische Name „Core“ steht selbstbewusst für den Kern der Stadt.  

https://www.core-oldenburg.de/

Das "Core" in Oldenburg

© CO/RE Coinnovation & Recreation GmbH

Bis 2020 gab es gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof eine große Filiale von Karstadt Sport. Zwei Jahre stand das Kaufhaus leer. Seither wird es von der stadteigenen „Hamburg Kreativ Gesellschaft“ für Kultur und Kreativwirtschaft zwischengenutzt. Auf sechs Etagen und 8.000 Quadratmetern Fläche gibt es nun kuratierte Pop-Up-Stores, Ausstellungen, Vorträge, Workshops, Events und eine Bar. Zukunft: Offen.     

https://www.jupiter.hamburg/

Das Jupiter in Hamburg

© Projektbüro Innenstadt

Noch bis voraussichtlich Sommer 2024 bietet das Erdgeschoss des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes ein Forum für Stadtentwicklung und Baukultur sowie für innovative und greifbare Wissenschaft und für einen kreativen Umgang mit den zukünftigen Herausforderungen der Stadt. Dank des Eigentümers haben die Initiator:innen die Möglichkeit, die leerstehende Fläche flexibel und bürgernah zu zwischen zu nutzen.  

https://www.aufhof-hannover.de/

Kreative Fotocollage, mit Bildern zum Sport, Musik, lesen und Fotografie. ein Schriftzug mit dem Wort Zwischennutzung ist zu erkennen

© Büro für Beteiligungskultur und Stadtentwicklung e.V. (Hannover)

Neue Nutzungen

Heute wohnen knapp 4.000 Menschen in der binnenstadt zwischen Wall und Weser. Ein Wohnungsschwerpunkt sind die Straßen entlang der Wallananlagen und auch rund um die Kulturkirche St. Stephani wird noch in nennenswertem Umfang gewohnt. Direkt am Weserufer wurden hier vor einigen Jahren sogar etliche neue Wohnhäuser gebaut. 

Mitten in der Innenstadt gibt es hingegen nur wenige Wohnungen. Auch das ist ein Grund, warum die City abends menschenleer ist. Das soll sich jetzt ändern. In der Martinistraße wird gerade ein Bürogebäude zu einem Wohnhaus für Studierende umgebaut und in der Obernstraße soll ein leerstehendes Modehaus abgerissen und durch einen Neubau mit Wohnungen ersetzt werden. Nur im Erdgeschoss gibt es dann noch Einzelhandel oder Gastronomie.

Blick auf die Binnenstadt von der Weser aus
Mit 92 neuen Wohnungen sowie einem 25%igen Anteil an geförderten Wohnungsbau, entstand im Stephaniviertel 2018 neuer Raum für eine vielschichtige Bewohnerschaft.

© Projektbüro Innenstadt Bremen / Christian Burmester

Nach diesem Vorbild könnten auch viele andere der meist aus den 1960ern stammende Geschäftshäuser in der Obernstraße umgebaut werden: Unten Einkaufen, oben Wohnen. Eine Vermietung der Obergeschosse als Wohnungen könnte für Eigentümer:innen besonders dann interessant sein, wenn die Gewerbemieten weiter fallen. Bisher nur als Lagerräume genutzte Obergeschosse müssen dafür umgebaut und modernisiert werden.

Dort und in anderen Straßen kann sich die Umwandlung in Wohnraum also lohnen. Entstehen in der Innenstadt richtige Nachbarschaften mit Familien, Studierenden und anderen Gruppen, können in den Erdgeschossen Geschäfte für den täglichen Bedarf, Kitas und soziale oder medizinische Einrichtungen einziehen.     

Visualisierung des neuen Ensembles in der Martinistraße.
Visualisierung zur Umnutzung des neuen Ensembles in der Martinistraße.

© dt+p Dorkowski, Tülp und Partner Architekten und Ingenieure GmbH

Neben neuen Wohnungen und dem auf die Bedürfnisse der Bewohner:innen zugeschnittenen Einzelhandel, braucht es ab einer bestimmten Einwohnerzahl ergänzende Einrichtungen wie Schulen, Spielplätze und Grünflächen. Eine familienfreundlichere Innenstadt hat zudem das Potenzial, Familien aus anderen Stadtteilen anzuziehen.

Andere Zielgruppen können durch Gastronomie, Clubs und Bars in die Innenstadt geholt werden. Auch Kultur und Wissenschaft, Manufakturen, Experimentierräume und konsumfreie „Dritte Orte“ können der Innenstadt eine neue Vielfalt (zurück)geben – über die üblichen Geschäftszeiten hinaus.

Solche neuen Angebote wären zudem geeignet, die Innenstadt als Standort für Start-Ups und Kreativunternehmen interessant zu machen. Diese finden mit demnächst drei Bremer Hochschulen in der Innenstadt ein geeignetes Umfeld vor. Als dritte Hochschule zieht die Universität 2024 teilweise in die Innenstadt.

Uni-Forum Innenstadt

Ein Teil der Uni Bremen zieht mit 1.500 Studierenden an den Domshof, in das frühere Landesbank-Gebäude. Die jungen Menschen werden den Platz beleben und gemeinsam mit den Studierenden der Hochschule für Künste (Dechanatstraße) und der Hochschule Bremen (Am Brill) für veränderte Nachfrage sorgen und der Innenstadt neue Impulse geben.

Pop-Up Relax-Bereich vor dem alten Bremer Landesbank Gebäude

© Projektbüro Innenstadt Bremen / Christian Burmester

Neue Nutzungen können auch neue Handelskonzepte sein. Hierzu sucht die Wirtschaftsförderung (WFB) mit dem Projektbüro Innenstadt nach Konzepten und Betreiber:innen. Mit dem Förderprogramm UpTrade wird ein Teil der Miete vorübergehend durch die Stadt übernommen. Für das (Con)temporary Crafts Studio wird die Miete zunächst sogar vollständig durch das WFB-Programm CitySpace übernommen. Beide Programme sind vom Bund im Rahmen von „ZIZ“ gefördert. 

Hinter diesen Ideen und teilweise konkreten Fördermaßnahmen steckt die Vorstellung, dass eine vielfältige Innenstadt mit kleinen individuellen Geschäften und Werkstätten, Cafés und Leben auf der Straße wieder Lust macht, öfter zu Besuch zu kommen und alle davon profitieren.

Versteckte Potenziale

Leerstehende Ladenflächen oder gar Kaufhäuser irgendwie neu zu nutzen, leuchtet sofort ein. Aber die Innenstadt bietet noch weitere Flächen, die zunächst niemand auf der Rechnung hat, die aber enorme Potenziale bieten.  

Weniger Menschen fahren heute mit dem Auto in die Innenstadt, die sechs städtischen Parkhäuser in der Innenstadt sind selten ausgelastet. Aus diesem Grund steht dem Parkhaus Mitte eine Neunutzung bevor. Auf dem Grundstück soll eine neue Nutzungsmischung entstehen, die unter anderem dringend benötigten Wohnraum schafft und neue Wegeverbindungen ermöglicht. 

3D Visualisierung eines Schwimmbades
Ein Schwimmbad in einem ehemaligen Parkhaus? Visualisierung im Rahmen einer Masterthesis

© Justus Krause, 2023

Schaut man sich die Bremer Innenstadt von oben an, fallen einem die vielen bisher ungenutzten Flachdächer direkt auf. Ein „Dachkatalog“, den das Projektbüro herausgegeben hat, zeigt Eigentümer:innen unterschiedliche Möglichkeiten, wie ihre Dächer zu lebendigen städtischen Räumen werden können. Ein erstes Dach soll jetzt als Pilotprojekt umgebaut werden.

Visualisierung eines Kataloges
Luft nach oben: Der „Dachkatalog“ zeigt, wie bisher ungenutzte Dächer die Innenstadt künftig beleben können.

© Projektbüro Innenstadt Bremen / CITY FORESTER

Abseits der Haupteinkaufsstraßen liegen in Bremens Innenstadt diverse Nebenstraße und Hinterhöfe. Hier untersucht das Wirtschaftsressort mit Unterstützung durch das Projektbüro Innenstadt Bremen, welche Chancen drei konkrete Nebenstraßen bieten, beispielsweise für kleine Handwerksbetriebe, Pop-Up-Stores, Upcycling-Initiativen oder auch Gastronomie.

Belebte Straße beim Kreativ- und Trödelmarkt 2021
Der Kreativ- und Trödelmarkt „Bonusmarkt“ wurde 2021 erstmals im Rahmen von „BONUS TRACK“ realisiert und seitdem aufgrund der großen Nachfrage mehrfach an unterschiedlichen Orten in der Innenstadt veranstaltet.

© Cesam58 / Benjamin Eichler

Projekte

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Dachlandschaften

Lebendige Dächer für die Bremer Innenstadt

Wie wäre es, wenn auf ungenutzten Dächern zukünftig Orte des sozialen Miteinanders oder Räume zur Klimaanpassung entstehen würden? Das Projektbüro Innenstadt Bremen hat dazu ein Handlungskonzept vorgelegt, das die „Dritte Dimension“ unter die Lupe nimmt. Darin werden nicht nur vielfältige Nutzungsideen für Dachflächen aufgezeigt, sondern auch die technischen Grundlagen bei der Umsetzung erörtert.
Dachlandschaften

Konzerthaus Glocke

Umbau & Modernisierung von Bremens traditionsreichem Konzerthaus

Die Glocke wird 100 Jahre alt. Rechtzeitig zum Jubiläum soll das 1928 erbaute Konzerthaus vergrößert, modernisiert und den Anforderungen des 21. Jahrhundert angepasst werden. Neben dem UNESCO-Welterbe Rathaus und Roland sowie der Böttcherstraße und dem St. Petri Dom ist die Glocke das kulturelle Highlight der Innenstadt und eine der meistbesuchten Kultureinrichtungen Bremens.
Konzerthaus Glocke

Das Balgequartier

Neue Nutzungsvielfalt in historischen Gebäuden

Mit dem Balgequartier entsteht ein zentraler Baustein für die Bremer Innenstadt der Zukunft. Das Quartier führt ein Ensemble wichtiger historischer und identitätsstiftender Gebäude zusammen, die viele Jahre nicht öffentlich zugänglich waren und schafft neue Verbindungen von der City zur Weser.
Das Balgequartier